John Steed's Library

Russische Übersetzung
Englischer Originaltext
Resumé zum Autor

Der in London geborene und aufgewachsene Gabriel Hershman ging 2001 nach Portugal, wo er an der Universität von Lissabon seine bulgarische Frau kennenlernte. 2007 zogen sie nach Bulgarien.

Gabriel hat die meiste Zeit seines Lebens als Redakteur und Journalist gearbeit, von 2007 an fast fünf Jahre bei der Zeitung „The Sofia Echo“, einer englischsprachigen Publikation in Bulgarien.

Er nahm 2011 zum ersten Mal Kontakt mit Neil Hendry, Ian Hendrys Neffen, auf, ein glückliches Zusammenkommen, das in seiner Biographie über Ian Hendry endete.
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Einführung

Wenn ich vor meinem Computer am Schreibtisch sitze, fällt mein Blick oft auf Gabriel Hershmans Buch, das dort seit über einem Jahr steht. Ich lese es regelmäßig, weil der Ausnahmeschauspieler Ian Hendry mich seit vielen Jahren fasziniert hat. Viele seiner bekannten Filme sind in Russland gezeigt worden, etwas, was ich von Patrick Macnee leider nicht sagen kann. Ich bewundere Filme wie „The Hill“, „Repulsion“, „The Southern Star“ und „Doppelganger“ um nur ein paar zu nennen.  Als außergewöhnlicher Darsteller war Ian Hendry häufig das Glanzlicht vieler seiner Arbeiten.

Ich habe mich oft gewundert, warum niemand daran dachte, eine Biographie über Ian Hendry zu veröffentlichen. Jahre vergingen und ich befürchtete schon, es würde niemals passieren, als ich auf der Seite von Neil Hendry eines Tages 2013 eine Information über die Biographie fand. Ich kaufte mir das Buch und entdeckte viele neue Details in ihm, besonders über Ians Arbeit vor seiner Zeit bei der Serie „The Avengers“. Das sorgfältig und mit viel Liebe geschriebene Buch eröffnet den Blick auf das Leben und das Schaffen eines wunderbaren Schauspielers auf unterhaltsame und ehrliche Weise zugleich. Ich habe den gleichen Gefallen daran gefunden, wie einige Jahre zuvor an der russischen Biographie über Sean Connery.

Als Alan Hayes mir im September 2014 erzählte, dass Gabriel Hershman, der Autor des Buches, Interesse an einem Interview mit Steedumbrella gezeigt habe, war ich vollkommen überrascht. Ich stimmte sofort zu, obwohl mich damals die Überarbeitung meiner Webseite sehr in Beschlag nahm und ich nicht in der Lage war, sofort mit dem Interview zu beginnen. Ich nahm Kontakt mit Gabriel auf und wir kamen überein, das Interview etwas später zu führen, wobei wir Ende Oktober beginnen wollten und es bis Anfang November abzuschließen gedachten.

Dies ist meine zweites Interview für Steedumbrella und ich bin sehr dankbar für die Hilfe von Alan Hayes und Christine Stutz, die einige Fragen gestellt haben und auch auf andere Weise geholfen haben.
Ich wünsche allen viel Spaß beim Lesen.

Denis Kirsanov

Denis:
Gabriel, ich bin sehr froh, dass von Ihnen eine Biographie über Ian Hendry publiziert worden  ist, ein herausragender Schauspieler einer bemerkenswerten Ära des britischen Films und der britischer Fernsehproduktionen. Wie viele andere habe ich lange auf das Erscheinen eines solchen Buches gewartet, nicht zuletzt deshalb, weil Ian Hendrys schauspielerische Qualitäten ungerechtfertigter Weise bis vor Kurzem immer übersehen worden zu sein scheinen.
Was zog Sie an Ian Hendry an und was an seinem Werk hat Sie letztlich veranlasst, über ihn zu schreiben?


Gabriel:
Danke für Ihre erste Frage.
Ich war erst siebzehn, als Ian starb. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nur wenig über seine Schauspielerei. Ein paar Jahre später schaute ich mir auf einem Kanal, der UK Gold hieß, alte Programme aus den 70er Jahren an, die dort gesendet wurden. Ian war recht häufig zu sehen, meistens in Nebenrollen und ich erkannte, dass er ein außergewöhnliches Talent besaß, nämlich innerhalb kürzester Zeit einen Charakter glaubhaft darzustellen, denn er verfügte über ein traumwandlerisches Gespür für die Rolle. Außerdem besaß er eine ungeheure Ausdruckskraft und eine charismatische Persönlichkeit. Seine Leistung in „The Hill/Ein Haufen toller Hunde“ war beeindruckend. Außerdem wurde ich zeitweise eine Fan der Serie „The Lotus Eaters/“(die ursprünglich 1972 lief), als sie 1993 auf UK Gold gezeigt wurde.
Danach begann ich, mir das das Werk von Hendry systematisch anzuschauen. Ich kam zu der Ansicht, dass seine Leistungen notorisch unterbewertet wurden, aber nach und nach gelangte ich sogar zu der Meinung, dass dieser Begriff unzutreffend war, denn er passte nicht für Ian, der eigentlich eher auf unverzeihliche Weise einfach immer übersehen worden war. Also verdiente er es, dass eine  Biographie über ihn geschrieben wurde.
Sicherlich trug auch dazu bei, dass ich in der Nähe von Hamstead lebte und eine Gespür für ihn bekam, wenn ich seine alten „Jagdgründe“ aufsuchte, sodass ich immer stärker begann, mich für sein Leben zu interessieren. Außerdem mochte ich auch die Arbeiten seiner zweiten Ehefrau, Janet Munro, und glaubte, dass auch sie als Schauspielerin unterbewertet wurde.
Auf eine bestimmte Weise kam es mir immer so vor, als ob ich Ian gekannt hätte. Es war um das Jahr 1988 als ich zum ersten Mal Pharao Island besuchte, wo er von 1963 - 1970 auf dem Höhepunkt seines Ruhms gelebt hatte. Ian's Haus, das unter dem Namen „The Sphinx“ bekannt ist, lag auf einer Insel inmitten der Themse nahe Shepperton, ein......Gebiet südwestlich von London .
Ich fühlte, wie mich seine Geschichte in den Bann zog, aber es sollte noch viele Jahre dauern, bis ich letztlich anfing, sie zu Papier zu bringen.
Kurz gesagt bin ich der Ansicht, dass Ian Hendry vielleicht der beste Fernsehschauspieler  gewesen ist und viel versierter war als viele seiner Zeitgenossen, die aber wesentlich berühmter wurden
Alan:
Es ist traurig, dass viele Leute, die mit Ian zusammengearbeitet haben oder ihn kannten, nicht mehr bei uns sind, aber die Biographie hat eine sehr solide Grundlage durch die Auswahl der Personen, die interviewt wurden und die alle großartige Geschichten über Ian erzählen.
Wie sind Sie dabei vorgegangen, Kontakt zu diesen Personen aufzunehmen und welche Interviewpartner waren am hilfreichsten für Ihre Arbeit?


Gabriel:
Es gab zum einen verschiedene Personen, wie z.B. Bruce Montague (er spielte die Figur des „Leonard“ in einer BBC TV Comedy Serie namens „Butterflies“), von denen ich wusste, dass sie noch am Leben sind und mit Ian befreundet waren. Ich war sehr gespannt darauf, etwas von Bruce zu erfahren, besonders deshalb, weil ich vom kürzlich verstorbenen Ronald Fraser (Ians Trinkbruder) gehört hatte, dass Bruce am Todestag von Ian noch mit diesem gesprochen hatte.
Ich nahm zu Bruce und vielen anderen Kontakt auf, entweder über ihre Agenten (ein Verzeichnis der Schauspieler namens „Spotlight“ ist hierbei sehr hilfreich) oder über die Webseiten der Schauspieler direkt. Bruce war äußerst hilfsbereit.
Ich greife einfach einige Personen einmal heraus:
Antony Read besuchte mit Ian die Central School of Speech and Drama. Er hat mir sehr dabei geholfen, an  Hintergrundinformationen über Ians Zeit auf der Schauspielschule zu gelangen.

Außerdem war „Tony“, so wie ihn die meisten Leute nannten, später Produzent bei der BBC geworden. Er hat eine der bekanntesten Serien, in denen Hendry mitgespielt hat, produziert, „The Lotus Eaters“.

Martyn Chillmaid ermöglichte mir einen tiefen Einblick in die Produktion des Filmes „Assassin“ aus dem Jahr 1972, in dem Hendry mitgespielt hatte. Er ging ausführlich ins Detail, und versorgte mich mit einigen amüsanten Anekdoten. Ich fand immer, dass solche Erzählungen sehr interessant sind und einen tiefen Einblick gewähren, nicht nur, weil sie ein Bild von Ian Hendry zeichnen, sondern auch eines von der Atmosphäre in, beispielsweise London, vor 40 Jahren. Es hat sich so vieles verändert!

Robert Duncan, auch heute noch ein vielbeschäftigter Schauspieler, war auch sehr hilfreich. Er war großartig, weil er mir viele Hintergrundinformationen über die Serie „For Maddie with Love“ gegeben hat, in der Ian 1980 mitspielte.

Obwohl diese Serie heute fast schon vergessen ist, war sie äußerst wichtig für Ian, da sie für ihn die letzte große Rolle in seiner Karriere war. Fast alle, die mit der Serie in Verbindung gestanden hatten (der Regisseur und Ians Schauspielkollegen) sind verstorben, und so war es umso erfreulicher herauszufinden, dass Robert noch lebte und bereit und auch fähig war, mich mit so vielen Informationen zu versorgen.

Auch Bob Ponton, Ians alter Gesangspartner war sehr hilfreich. Sowohl Julia Goodman als auch Wanda Ventham gaben mir lange Interviews per Telefon. Ich respektiere und bewundere sie sehr, da ihre Erinnerungen über Ian zweifelsohne sehr ehrlich waren. Keiner der beiden versuchte aus Ian einen Heiligen zu machen, sie hatten jedoch liebevolle Erinnerungen an ihn.

Wie ich bereits gesagt habe, war Neil Hendry unschätzbar wertvoll für Informationen über Ians Hintergrund. Und Liam Byrne, der eine Webseite betreibt, die Ians zweiter Frau Janet Munro gewittmet ist, war mir besonders dabei eine Hilfe, an Photographien zu gelangen.
Übrigens findet man heraus, dass sich oft eins aus dem anderen ergibt, wenn man eine Biographie schreibt. Beispielsweise würde ein Bekannter von Ian sagen: „Haben Sie schon mit dem und jenem gesprochen?“, und dann würde mich das antreiben, nach diesen Personen zu forschen. Und manchmal würde dabei jemand sein, der Kontakt zu einer Person hätte, die eine wesentliche Rolle im Leben von Ian gespielt hatte.

Ich rechne es Schauspielkollegen von Ian, die oft nur wenige Tage mit ihm zusammengearbeitet hatten, hoch an, dass sie sich die Zeit genommen haben, mir ihre Erinnerungen anzubieten. Oft sind es nämlich die kleinen Details, die am allermeisten aussagen.

Einige von Ians Kollegen wollten sich jedoch nicht äußern. Vielleicht waren sie mir gegenüber misstrauisch. Vielleicht hatten sie das Gefühl, dass die Erinnerungen schmerzlich sein würden. Ich hoffe, sie konnten erkennen, dass das Buch in sehr einfühlsamer Weise geschrieben worden ist.

Ich möchte hinzufügen, dass ich einige großartige Kontakte mit Personen im Vereinigten Königreich knüpfen konnte, wie z.B. mit Richard Buckman vom Londoner Zeitungsarchiv, der viele Informationen im Archiv ausgegraben hat und Lesley Robinson, dem Archivar an Ians alter Schule. Solche Helfer sind unersetzlich, wenn man sich ein umfassendes Gesamtbild von einer Person machen möchte.

So viele Personen haben mir insgesamt geholfen. Wenn ich sie jetzt hier nicht erwähnt habe, bedeutet das bestimmt nicht, dass ich sie vergessen habe. Ich bin ihnen sehr dankbar!

Chris:
Als Historikerin bin ich immer wieder überrascht, dass Personen eine starke Erinnerung daran haben, was sie vor 50 Jahren getan oder gesagt haben wollen. Waren Sie in der Lage, solche Aussagen zu überprüfen und wie sind Sie bei der Entscheidung darüber vorgegangen, wem sie welche Fragen stellen wollen?


Gabriel:
Das sind gute Fragen. Es ist eine Tatsache, dass Erinnerungen im Laufe der Zeit tatsächlich verblassen. Beispielsweise ist es keine Geheimnis, dass Ian und Michael Caine während der Dreharbeiten zu „Get Carter“ nicht gut miteinander auskamen. Eine Geschichte, die ich wiederholt gelesen habe, berichtet, dass Ian getrunken habe und während der Proben Michale Caine gegenüber aggressiv geworden sei. Mike Hodges, der den Fim mitdrehte, konnte sich aber nach über 40 Jahren nicht daran erinnern, was Ian gesagt hatte! Ich nehme an, Michael Caine hätte sich erinnert, da er über ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügt, aber er hat mir nie auf meine Interviewanfrage geantwortet. Als Folge davon bleibt dieser Sachverhalt unklar.

Es gab andere Vorkommnisse, die Personen in unterschiedlicher Weise in Erinnerung hatten oder schlichtweg auch Erinnerungen, die nicht stimmen konnten.

Beispielsweise erinnerte sich Schauspieler Paul Gregory daran, dass Ian bei „Murder at the Metropole“ 1976 in betrunkenem Zustand seinen Text abgespult habe und anschließend zusammengebrochen sei.

Der Regisseur hingegen verneinte dies, aber es schimmerte durch, das er von Ians Trinkereien hinter der Bühne nicht wusste, weil Hendry dies gut kaschieren konnte. Also musste Ian wohl außerhalb des Blickfeldes des Regisseurs umgefallen sein. Ich habe Paul Gregory mehrfach dazu ausgequetscht, bis ihm einfiel: „Fragen Sie Jeremy Young (Schauspieler). Er war auch dort.“ Genau da habe ich dann getan, aber Young hatte keinerlei Erinnerungen an den Vorfall! Jedoch war Gregorys Erinnerung so lebendig, dass ich entschied, der Vorfall müsse sich so ereignet haben.

Außerdem bekommt man mit der Zeit ein Gespür für seinen Interviewpartner. Und einen Sinn dafür, ob dass, was das Gegenüber einem erzählt, stimmen kann. Beispielsweise war es kein Geheimnis, dass Ian  Alkohol in einer solchen Menge trinken konnte, dass es andere in einen kritischen Zustand versetzt hätte, er selbst aber noch in der Lage war, eine gute Vorstellung zu liefern. Es schien beinahe so, dass, sobald die Kameras liefen, Ian in eine Art Autopilot-Modus umschaltete und dann einwandfrei funktionierte. Wenn aber die Szene gedreht war, und sobald die Kameras abschalteten, kehrten bei Ian sämtliche Anzeichen von Trunkenheit zurück. Nehmen wir einmal „The Lotus Eaters“.

Dies war in vielerlei Weise eine turbulente Serie. Es steht außer Frage, dass einige der dramatischsten Dingen sich hinter der Kamera zutrugen. Es gibt „geringfügige“ Unterschiede in der Auffassung darüber, wie diese Vorfälle zu deuten sind. War es Michael J. Bird „ernst“, als er mit einer Waffe zu Ian ging?
Olive Bird (Michaels Frau) hingegen meinte, es sei nur eine ironische Geste und nicht ernst gemeint gewesen.
Meinungen über Ian gehen auseinander, wie das bei jedem der Fall ist. So wurde mir beispielsweise gesagt, dass Janet's verstorbene Stiefmutter Ian nicht hätte leiden können. Dann muss man jedoch feststellen, dass jeder wohl verschiedene Wahrnehmungen hat.
Chris:
Haben Sie den Interviewpartnern ähnliche Fragen gestellt? Gab es Fragen, auf die Personen vielleicht auch nicht antworten wollten?

Gabriel:
Manchmal war es schwierig bestimmte Aussagen zu bestätigen, wenn sich beispielsweise nur eine einzige Person an einen Vorfall erinnerte.
Ja, es gab einige Fragen, auf die man mir nicht antworten wollte. Ich habe eigentlich nie einen Katalog von vorgefertigten Fragen verwendet. Meistens habe ich mit allgemeinen Fragen begonnen und ausgehend von den Antworten die Fragen dann weiterentwickelt.


Denis und Alan:
Es gibt einige düstere Kapitel in Ihrem Buch. Einige der interessantesten davon betreffen Ians Familienleben mit seiner ersten Frau Joanna und die turbulente Beziehung mit seiner zweiten Frau Janet.
Welchen Schwierigkeiten sind Sie begegnet, als Sie sich mit diesen unangenehmen Themen auseinanderzusetzen hatten?

Gabriel:
Es ist mir unbekannt, ob Joanna noch am Leben ist. Sie war einige Jahre älter als Ian und würde heute ungefähr 85 Jahre alt sein. Es ist unumstritten, dass Ian einige Affären hatte, als er mit ihr verheiratet war. Carol White war sicherlich eine davon, Janet eine andere.
Ians Beziehung zu Janet war leidenschaftlich und stürmisch - wie man sagt.

Sicher ist, dass er sie bewunderte, aber beide waren alkoholabhängig. Janet war um 1967 am Tiefpunkt angelangt und bekannte sich (was zu bewundern ist) zu ihrer Sucht, was damals etwas ganz Außergewöhnliches war. Alle stimmen zu, dass sie in den wenigen Lebensjahren, die ihr blieben, „trocken“ gewesen war. Es gab jedoch auch viele andere gesundheitliche Probleme, die bei ihr damals nicht diagnostiziert wurden.

Janets Entschluss, das Trinken aufzugeben, führte jedoch dazu, sich mit Ians weiterbestehender Abhängigkeit auseinandersetzen zu müssen, wahrscheinlich viel schmerzhafter als zuvor.

Es gibt einige Hinweise darauf, dass sie probiert hat, ihn von der Flasche wegzubringen und - vermutlich um 1969/70 -er auch selbst versucht hat. Aber ich glaube, dass Ian Janets Abstinenz zurückgewiesen hat. Zu der Zeit, als er versuchte mit dem Trinken aufzuhören, war er bereits ein starker Alkoholiker.
Es ist wichtig daran zu denken, dass damals Alkoholabhängigkeit nur von einem kleinen Kreis der Gesellschaft als schwere Erkrankung anerkannt wurde.

Und es ist bekannt, dass Ian schwierig war, aber war es bei Janet vielleicht genauso?
Der naheliegendste Vergleich wäre wohl die Beziehung zwischen Richard Burton und Elisabeth Taylor. Sie konnten nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander leben. Genau so war es mit Ian und Janet, obwohl ich sagen muss, dass Janet zum Zeitpunkt der Scheidung eine deutliche Distanz zwischen sich und Ian suchte.

Ich weiß nicht, was hinter verschlossenen Türen geschah, aber Ian liebte sie, sogar noch nach der Scheidung. Ich glaube, es ist in einer solchen Situation schwierig, Partei zu ergreifen und es wäre für einen Biographen auch unangemessen dies zu tun. Klar ist, das Janet ein „Liebling der Nation“ war und ihr frühzeitiger Tod Hendry das Herz brach. Ihr Tod führte auch zum Bruch der Freundschaft zwischen Ian und seinem Schwiegervater, Alex Munro. Diese Situation bestand über einen langen Zeitraum nach ihren Tod und erst spät haben sie die beiden Männer einander wieder angenähert.
Eines ist jedoch sicher - Ian hat sich vom tragischen Tod seiner Frau nie wieder erholt.

Eines der großen Problems eines Biographen ist der Umstand, dass alles lange zurückliegt. Folglich ist es einfacher über etwas zu schreiben, was in den 1970er Jahren passiert ist, als in den 1960ern - und sei es nur, dass mehr Leute vorhanden sind um über die 1970er Jahre zu sprechen.

Ich meine, die Belastungen und Anforderungen eines Schauspielerdaseins sind enorm. Dies ist mir beim Schreiben des Buches deutlich geworden. Wenn aber beide Ehepartner Schauspieler sind muss dies um so schwieriger sein. Und wenn dann beide Partner an der Flasche hängen, ist es sicher, dass daraus eine explosive Mischung entsteht.

Alan:

Ich habe den Eindruck, dass Ian an seine Karriere mit großer Ernsthaftigkeit herangegangen ist und nicht zu der Sorte Schauspieler gehörte ist, die über gezielte Vermarktung nur schnelles Geld machen wollte. Stimmt das in dieser Form und führte der Umstand, dass er so sehr auf seine Karriere fixiert war, dazu, dass er glaubte, selbst nichts für seine Vermarktung tun zu müssen?


Gabriel:
Ich glaube, dass Ian in Interviews fatalerweise etwas zu ehrlich war, wenn er über seine verwundbare Punkte sprach. Er lebte in einer Zeit, in der man Abhängigkeit und Sucht noch nicht als ernsthafte Erkrankungen anerkannte. Er neigte zu sehr dazu mit dem Glas Brandy herumzuschwenken. Es war jedoch eine Ära, in der dies die Leute noch nicht als eine Art Selbstdarstellung beeindruckte, zumal er sich auch oft als „Idioten“ bezeichnete. Aber künstliches Verhalten und Verstellung waren eben Fremdworte für Ian, denn er glaubte daran die Wahrheit zu sagen.
Es ist wenig darüber bekannt, ob sich Ian selbst viel um seine Vermarktung gekümmert hat. Gewiss ist nur, dass er an einer Plakatkampagne für eine Zigarettenwerbung beteiligt gewesen ist. Abgesehen davon fragt man sich - wofür er hätte werden wollen? Der Umstand, dass Ians Trinkerei bekannt war, könnte sich dabei nicht vorteilhaft ausgewirkt haben.

Ich bin überrascht, dass Ian nicht mehr für Sprechrollen bei Erzählungen oder Hörspielen eingesetzt wurde. Er hatte eine der herausragendsten Stimmen im britischen Showbusiness.

Ich glaube, Ian hat sich nicht viele Gedanken darüber gemacht, wie er nach außen wirkte. Mein Eindruck von ihm ist der, dass er  bar jeder Eitelkeit war. Er hatte Maßnahmen ergreifen können, um jenseits der 40 besser auszusehen. Er hätte beispielsweise ein Topée tragen können, aber abgesehen von einer kurzen Periode, wo er dies tat, lehnte er es ab.

Ich glaube, um damit abzuschließen, es gab etwas zu viel von der falschen Sorte Publicity für Ian.


Alan:

Auf Ians Fähigkeiten wurde man zum ersten Mal aufmerksam, als er an der London Central School for Speech and Drama studierte. Dies schien für ihn eine sehr positive Erfahrung gewesen zu sein...

Gabriel:

Ian war bereits ein Erwachsener (22), als er an der Schauspielschule aufgenommen wurde. Er hatte schon als Immobilienmakler gearbeitet sowie seinen zweijährigen Wehrdienst abgeleistet.
In diesen Tagen hatte die Theaterschule ihren Sitz noch in der Royal Albert Hall und Ian nahm sich eine Einzimmerwohnung in einen freundlichen Teil von Kensington. Es gibt keinen Zweifel daran, dass er sich schnell zu einer Persönlichkeit entwickelte, zu der die anderen Studenten aufschauten. Er machte auch die Bekanntschaft mit Coco, dem Clown, der seinen Wohnwagen in der Nähe der Royal Albert Hall abzustellen pflegte, nachdem er sich dem Ensemble angeschlossen hatte. Aus diesem Blickwinkel war es eine glückliche Zeit für Ian. Er lernte an der Theaterschule auch  viele Personen kennen, mit denen ihn lebenslange Freundschaften verbinden sollten - Glynn Edwards, Heather Sears und Tony Read um nur ein paar Namen zu nennen.
In der Picture Post von 1954 ist zu lesen, dass er die Bekanntschaft von Laurence Olivier an der Schule machte.
Chris:
Das Verzeichnis in der Biographie, das Ians Arbeiten anführt, belegt, dass Ian's Schauspielerei mehr auf Film- und Fernsehproduktionen ausgerichtet war als auf Theaterarbeit. Was ist der Grund dafür, dass er weniger daran interessiert schien, klassisches Repertiore oder zeitgenössische Stücke auf der Bühne zu spielen?

Gabriel:
Ian war dafür bekannt, dass er tatsächlich den Film dem Theater vorzog. Dafür könnte es mehrere Gründe gegeben haben. Bühnendarstellung verlangt offensichtlich eine ganze Reihe von Fertigkeiten. In den 60er Jahren war es Ian einfach nicht mehr gewohnt auf der Bühne zu stehen, da er seine Karriere auf den Film ausgerichtet hatte. Je länger man jedoch dem Theater fernbleibt, desto schwieriger wird es eine Karriere dort wieder aufzunehmen.Ich denke, das gilt für viele Dinge im Leben.

Vielleicht besaß Ian auch wegen seiner gesundheitlichen Probleme eine gewisse Skepsis gegenüber der Theaterarbeit. Jenny Quayle, die mit ihm in „Lady Wintermeres Fan“ 1978 spielte, berichtete mir, dass Ian sich auf der Bühne nicht mehr wohl fühlte. Tatsächlich war dies auch seine letzte Bühnenrolle. Er wurde während der Spielzeit krank und musste das Stück abbrechen. Möglicherweise schreckte ihn dies davor ab, weitere Theaterengagements anzunehmen.

Zwischen 1976 und 1978 trat Ian in mehreren Produktionen auf, die im Vereinigten Königreich teils bis zu drei Monate auf Tournee gingen. Ians Witwe hat mir erzählt, wie sehr er es hasste, so lange von zuhause fern zu sein. Das ist unter Umständen ein weiterer Faktor gewesen, denn solche Tourneen waren sehr anstrengend.
Ich bin der Ansicht, dass Ian im Kern ein moderner Schauspieler war. Es gab etwas an seinem Auftreten, der Art und Weise wie er agierte, das ihn prädestinierte für das Fernsehen zu arbeiten. Es mag jedoch überraschen, dass er nicht stärker im Bereich der leichten Komödie im Theaterbereich tätig gewesen ist. Er schien nämlich 1977 seine Rolle in dem populäres Stück  “The Owl and the Pussycat” (dt. „Die Eule und das Kätzchen“ von Bill Manhoff) sehr genossen zu haben. Ich glaube es ist auch legitim die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Ian einige Theaterrollen in den späten 70er Jahren nur deshalb angenommen hat, weil ihn keine attraktiveren Angebote im TV- und Filmbereich gemacht wurden.
Denis:
Danke für die ausführliche Antwort, Gabriel. Ein anderer Sachverhalt, der mich immer interessiert hat, ist Ian's Beziehung zu Coco, dem Clown, den er immens bewundert hat. Ausgehend von ihrem engen Verhältnis und Ians natürlichen Talenten ist es eigentlich verblüffend, dass Ian nur selten für komödiantische Rolle gecastet worden ist. Warum glauben Sie ist sein komisches Talent übersehen worden, obwohl ihm doch die Komödie ganz offensichtlich im Blut lag?

Gabriel:
Ehrlich gesagt glaube ich, viele von Ians Rollen besaßen Möglichkeiten für einen Komiker. Wenn man sich Filme wie „The Sandwich Man“ ansieht, in dem er einen Polizisten spielte, wird klar, dass er durch seine trockene Art mehr Lacher erhielt als all die anderen Charaktere, die wesentlich lustiger agierten. Er war als Polizist in einem Tommy Cooper Sketch äußerst lustig, auch andere  wie die eines Gangsters in „The Bitch“ (1975),  Nebenrollen wie die in der TV Serie „Village Hall“von 1975 und sogar in „Sweety“ (1975) belegen dieses Talent.

Aber ja, es ist richtig, Ian hatte Ambitionen mehr Komödie zu machen. Auf sein Talent für die leichte Komödie war man schon an der Schauspielschule aufmerksam geworden. Aber weil er auf dem Feld der ernsten Rollen ebenfalls sehr gut war, bot man ihm diese an.
Ich glaube, auch das Erscheinungsbild eines Schauspielers beeinflusst wesentlich die Rollen, die er erhält. Und weil Ians Erscheinung harsch wirkte, fielen ihm ernste Rollen oder die von Bösewichtern zu.
Sicher ist, dass Ian abseits der Leinwand ein großartiger Unterhalter gewesen ist, egal ob er seinen einbeinigen Golfer Sketch aufführte, auf seinen Händen lief oder auf einer Bar einen Kopfstand machte - immer wollte er damit Leute zum Lachen bringen.

Ian bewunderte Coco und dachte sogar daran eine Berufskarriere als Clown anzustreben. Ich glaube, dass Coco, mehr als jeder andere, Ian's Vorbild war. Wenn Sie sich an seinen Auftritt in „This is Your Life“ von 1978 erinnern, erwähnte er dort, Zirkusleute wären die besten Akteure im Showbusiness.


Denis:
Danke für die ausführliche Antwort.
Gabriel, in Ihrem Buch haben Sie ausgeführt, dass Ian Hendry der Überzeugung war, dass seine Rolle im Film „The Hill“ (dt. „Ein Haufen toller Hunde“), in dem er den unsympathischsten Charakter der Produktion verkörpert, die beste Leistung seiner Karriere gewesen sei. Es ist tatsächlich eine außerordentliche Rolle gewesen, aber ich frage mich, welche Charaktere oder Rollen Ian eigentlich am meisten lagen? Was besaß für ihn neben der Arbeit am Film „The Hill“ und der Zusammenarbeit mit Coco einen besonderen Stellenwert?

Gabriel:
Besonders angetan war Ian von seiner Arbeit in der Serie „The Lotus Eaters“, wofür es mehrere Gründe gibt. Einer davon war, dass er einen Charakter verkörperte, der dem "Zwischen-Boot-und Bar-Lebensstil" nahe kam, den Ian selbst führte, als er auf Pharao Island lebte. Sein Haus lag auf einer Insel inmitten der Themse und Ian musste ein Boot benutzen um zum Festland zu gelangen. Er selbst fühlte sich immer dabei wohl, von Wassers umgeben zu sein. Bevor er nach Shepperton zog, lebte er auf einem Hausboot, das in in Chiswick festlag, also in der Nähe von London.

Ian träumte auch davon, eine Bar zu haben und das Boot zu nutzen um seinen täglichen Geschäften nachgehen zu können. Die Figur, die er in „The Lotus Eaters“ verkörperte, Eril Shepherd, war wie ein Seelenverwandter. Obwohl er es nie ausdrücklich gesagt hat, ist es möglich, dass die Alkoholsucht dieser Figur ihm eine so ergreifende Darstellung ermöglichte. Ich glaube er hat sich  sich eine Fortsetzung der Serie gewünscht und darauf gehofft, dass sie wieder neu aufgelegt werden würde. Ian schien auch immer dann am besten zu „funktionieren“, wenn ihm ein attraktiver weiblicher Co-Star zur Seite stand, der ihn auf dem Boden der Tatsachen hielt, eine Schauspielerin, die er mochte und respektierte, wie zum Beispiel June Ritchie, Wanda Ventham or Nyree Dawn Porter.

Eindeutig mochte er auch Patrick Macnee sehr gerne. Vermutlich hat er sich gewünscht, er wäre  noch länger bei der Serie (gemeint ist „The Avengers“) dabei geblieben. Jederman wollte mit ihm immer über „The Avengers“ sprechen. Sogar am Ende seiner Karriere, als er in „Brookside“ erschien, befragten in Leute immer wieder darüber, wahrscheinlich, weil es eine so bahnbrechende TV Show gewesen ist und er von Anbeginn dabei gewesen war. Er war sehr stolz darauf, dass es - in gewisser Weise - ein Vorläufer von Serien war, die einem  Bond-Stil entsprachen.

Ian wiederholte stets, dass ein Schauspieler sich immer weiter entwickeln müsse. Er ist auch oft zitiert worden, dass er gesagt habe, Rollen nicht zu übernehmen, von denen er gewusst habe, sie würden ihm leicht fallen, womit er vermutlich eindimensionale, schurkische Charaktere gemeint hat. Ian gab sich dabei wohl, wie viele andere Schauspieler, der Illusion hin, dass die beste Rolle für ihn mal gerade so um die Ecke zu finden sein würde.
Insgesamt sieht es also so aus, dass er die Leinwand der Arbeit am Theater vorzog.
Alan:
Ian hatte sicherlich das Potential ein viel weiteres Repertoire zu spielen, als das, was ihm gewöhnlich während seiner Karriere angeboten wurde. Empfand er als als frustrierend auf bestimmte Typen, sagen wir zum Beispiel einmal Schurken, festgelegt zu werden? Welche   seiner Rollen waren Ihrer Meinung nach diejenige, welche dieser Typenfestlegung widersprachen?

Gabriel:
Ich glaube er empfand es als eine Einengung, zu oft Schurken darstellen zu müssen. Manchmal hat er seiner Frustration darüber in Interviews Ausdruck verliehen - wie sehr er versucht hat, das Erbe der Rollen von Filmen wie „The Hill“ abzuschütteln. Ich bin der Ansicht, er war sehr desillusioniert über die Rollen, die ihm angeboten wurden.
Eine von Ians größten Filmrollen war „The Internecine Project“. Er verkörperte darin einen nervösen, schwitzenden fahrigen Typen, der dazu epresst wird, einen Mord zu begehen. Es gibt da eine Schlüsselszene mit James Coburn, in der sie übereinander redenund sich gegenseitig ständig unterbrechen, genau so, wie Leute dass eben im richtigen Leben tun - aber wie selten sieht man das im Film! Und sein Charakter, Alex Hellman, in diesem Film war so ein Kontrast zu seinen Filmrollen wie in „The Hill“, „Get Carter“ oder „The Southern Star“.
Ich mag ihn in „Theatre of Blood“, weil er dort eigentlich keinen schlechten Charakter hat und eine anspruchsvolle Rolle verkörpert. Ian war so vielseitig begabt, aber er neigte dazu, den Durchschnittstypen zu spielen. Deshalb ist sein Part in „The Persuaders“ ziemlich lustig, wo er den aristokratischen, konservativen Lord Croxley  spielt. Das ist übrigens einer meiner anderen Lieblingsfilme.
Seine Rolle in der kaum bekannten TV Serie „For Maddie with Love“ stellte eine willkommene Abwechslung dar, weil sie ihn von einer sensiblen Seite zeigte. Bis dorthin neigte er dazu, stereotype leicht heruntergekommene Charaktere zu verkörpern und deshalb tat es gut, ihn wieder in einer Hauptrolle zu sehen.

“Repulsion“ ist ebenfalls sehenswert wegen der subtilen Darstellung eines untreuen Ehemanns und „Bergerac“ ist auch einer meiner Favoriten. Er sah nicht gut aus, aber lieferte eine vorzügliche schauspielerische Leistung als linkischer, versoffener Armeeoffizier, der schon bessere Tage gesehen hat.

Alan:
Ich glaube Ians Alkoholismus und die Art und Weise, wie dies sein gesamtes gesellschaftliches Leben und seine Karriere betroffen hat, ist eines der traurigsten Kapitel seiner Lebensgeschichte. Ich vermute, er nicht wahrgenommen, dass das, was zuvor ein gesellschaftlicher Zeitvertreib gewesen war, zu einer Abhängigkeit mutierte. Es ist klar, dass dieser Zustand seine Gesundheit und Karriere negativ beeinflusste und bedingte, wie ihn Regisseure bei Castings wahrnahmen. Aber glauben Sie, für ihn hätte jemals die Möglichkeit bestanden hätte, alles ins Reine zu bringen und an die Spitze zurückzukehren?

Gabriel:
Die Beantwortung dieser Frage ist sehr schwierig.
Ich glaube, dass Ian sich hierbei in einer sehr schwierigen Situation befand, denn sein ganzes gesellschaftliches Leben konzentrierte sich auf die Pubs und das Trinken. Und fast alle seiner Freunde waren Trinker. Wenn jemand fast 30 Jahre seines Lebens ein harter Trinker gewesen ist, fällt es schwer, davon loszukommen. Sie wissen, was man über abhängige Leute sagt - sie müssen selbst aufhören wollen.

Wenn es ihm gelungen wäre, von der Flasche loszukommen, hätte ihm das unzweifelhaft geholfen mehr Angebote zu erhalten. Genau so war es ja bei Peter O'Toole und Richard Harris. Beide tranken Unmengen, bevor sie in ihren späten 40ern entweder ganz aufhörten oder die Menge drastisch reduzierten. Es gelang ihnen ihre erlahmenden Karrieren wieder in Schwung zu bringen und älter als 50 Jahre zu werden.

Ians zerstörerischer Lebenswandel verlangte seinen Tribut von dessen Gesundheit. Er sah viel älter aus als ein gleichaltriger Mann und hatte Halsprobleme. Vielleicht hätte er eine langlebige Rolle in einer Seifenoper wie „Eastenders“ erhalten können. Ein furchtbarer Gedanken!!!

Um tatsächlich wieder angemessene Filmrollen zu erhalten, hätte es Ian gelingen müssen,
die Leute zu überzeugen, dass er tatsächlich reinen Tisch gemacht hätte.
Chris:
Sie haben in Ihrem Buch erwähnt,  Don Leaver habe sich dahingehend geäußert, dass Hendry dazu neigte, viele Male Ergänzungen an Skripten von The Avengers Episoden vorzunehmen und oft seine Meinung deutlich zu solchen Entwürfen äußerte, die er als nicht adäquat empfand. Hat es Hendry jemals selbst in Erwägung gezogen, eine Karriere als Drehbuchautor, Produzent oder Regisseur zu beginnen?

Gabriel:
Ian hat häufig davon gesprochen seine Karriere in Richtung Drehbuchautor, Produzent oder Regisseur erweitern zu wollen.

In der Tat hat Ian häufig Skripten redigiert, meistens dadurch, dass er den Wortlaut hier und dort veränderte wie sich die Co-Stars von Ian erinnern. Oft hat er versucht, an Skripten der ersten Serie von „The Avengers“ Veränderungen vorzunehmen. Patrick Macnee erwähnt, dass Ian viel zu den frühen Skripten der Avengers beigetragen hat. Auch am Set von „The Lotus Eaters“ hat Ian durch Ideen zu Skripten oder deren dramatischer Entfaltung beigetragen. Ein Photo im Buch zeigt ihn mit Michael Bird (vielen Dank an Dave Rich) an der Schreibmaschine und belegt, dass das Erstellen der Drehbücher ein Prozess war, bei dem man zusammenarbeitete.

Und denken Sie daran, dass Ian zusammen mit Bob Ponton zahlreiche bemerkenswerte Songs geschrieben und produziert hat. Bing Crosby plante kurz vor seinem Tod einen dieser Songs zu singen. Ian hat auch viele Gedichte geschrieben und es gibt Hinweise darauf, dass er begonnen hatte, Material für eine Autobiographie, die er schreiben wollte, zu sammeln. Seine Witwe Sandy gab nach seinem Tod ein Interview, in dem sie mitteilte, sie habe einiges von dem Material gelesen und es sei sehr „amüsant“ gewesen. Ich habe Ians zweiteilige „Sunday People“ Erinnerung gelesen, die er zusammen mit Sandy im Sommer 1980 verfasst hat. Diese beinhaltet einige Elemente, die ich in meinen Buch eingearbeitet habe. In „Sunday People“, einem Zeitungsartikel von 1980, sprach er davon, er habe andere Leute produzieren wollen, aber es gibt keine handfesten Hinweise darauf, dass Ian in irgendeiner Form an Produktionen beteiligt gewesen ist. Er hat nie in professioneller Weise Regie geführt - jedenfalls so viel mir bekannt ist - obwohl er, wie ich in der Biographie erwähnt habe, für Dennis Vance einsprang, als dieser am ersten Drehtag von „For Maddie with Love“ zu spät kam.

Ian besaß wahrscheinlich die Begabung alle möglichen Dinge tun zu können. Er war ein sehr vielseitiger und talentierter Mensch.

Chris:
Eines der Kapitel in Ihrem Buch lautet „Apha Male“, was nahelegt, dass Ian Hendry es vorzog, den Ton anzugeben und weniger gern in der zweiten Reihe stand. Führte diese Eigenschaft dazu, dass Ian Hendry eigensinnig war und falls ja, verursachte dies Probleme mit Co-Stars und Regisseuren?

Gabriel:
Ich bin überzeigt, dass Ian von Natur aus eine sehr charismatische Persönlichkeit war. Diese ist eine der Eigenschaften, die von allen Interviewpartnern erwähnt wurde. Es ist seltsam, aber es schien immer ein Knistern in der Luft zu liegen, wenn Ian erschien. Vermutlich war er ein geborener Anführer. Aber die meisten seiner Kollegen sahen das wohl auch an sich nicht als Problem an. Ian hatte klare Vorstellungen von den Rollen, die er angenommen hatte, aber es sieht so aus, als ob seine Kritik überwiegend konstruktiv und nicht etwa destruktiv gewesen ist.
Fast jeder, den ich ich interviewt habe, bestätigte, gerne mit ihn zusammengearbeitet zu haben. Die einzige Ausnahme war Honor Blackman, die mit ihm in einer Theaterproduktion namens „Motive“ 1976 auftrat. Sie erinnerte sich, dass Ian seine Darstellung aus den Proben so stark beim ersten Auftritt verändert hatte, das dies fast den Auftritt von ihr und George Cole, der Ian's Co-Star war, kippte. Sie äußerte, dass man „mit George immer wusste, woran man war.“ Ich war fasziniert von dieser Äußerung. Sie hatte es als Kompliment für George Cole formuliert. Vielleicht war es ja auch „angenehmer“ für andere Schauspieler, aber es schien mir auch so, als ob man dies ebenso als unbeabsichtigtes Kompliment für Ian Hendry als Schauspieler werten konnte. Er liebte es, Leute zu überraschen und war argwöhnisch allem gegenüber, was auf eine Routine hinauslief. Aber das ist natürlich nur meine Sichtweise der Dinge!

Es gab am Set von „For Maddie with Love“ 1980 eindeutig einige Auseinandersetzungen. Aber ich glaube, dass Ermüdungserscheinungen und erhitzte Gemüter ihren Teil dazu beitrugen. Ich glaube, dass Ian nicht grundsätzlich als Schauspieler schwierig war. Aber es ist leicht nachvollziehbar, dass seine Trinkerei die Regisseure Nerven gekostet hat. Simon Langton, der sein Regisseur in „Contract“, eine  Episode der 1974 für die BBC gedrehten Serie „Dial M for Murder“, bemerkte deutlich Veränderungen in Ians Schauspielverhalten, wenn er getrunken hatte. Auch Roman Polanski hat dies flüchtig in seiner Autobiographie erwähnt, in der er ausführt, dass sich Ians Gesichtsausdruck veränderte, wenn dieser  trank.
Trotzdem war er ein großartiger Schauspieler!

Chris:
Sidney Lumets „The Hill“ wurde von den Kritikern begeistert gefeiert und gewann beachtenswerte Preise, wurde aber bei den Academy Awards einfach übersehen, wo man 1965 offenbar mehr von leichter Kost wie „My Fair Lady“ als bestem Film und Peter Ustinov als bestem Nebendarsteller in „ToKapi“ beeindruckt gewesen ist. Glauben Sie, der Umstand, dass es sich um einen Anti-Kriegsfilm handelte, Ian Hendry in einer Zeit in der die USA in den Vietnamkrieg verstrickt waren, den verdienten Oscar gekostet hat?

Gabriel:
„The Hill“ ist einer der bewegendsten, aber auch anstrengendsten Filme, die ich jemals gesehen habe. Offen gesagt habe ich es einige Male vermieden ihn mir anzuschauen, wenn ich in niedergeschlagener Stimmung war, weil ich fürchtete, dass ich mich danach noch schlechter fühlen würde! Der Grund dafür ist, dass der Film Bänd spricht, zu welcher Unmenschlichkeit Personen gegenüber Mitmenschen in der Lage sind und das sich die Brutalsten immer die Schwächsten als die verwundbarsten Opfer aussuchen. Der Film ist eine abschreckende Anklage gegen institutionalisierten Sadismus, brillant gespielt von allen Beteiligten und natürlich -traurigerweise- heute wieder aktuell, wenn man an Vorgänge im Islamischen Staat denkt. Oder auch an das Verhalten von denen, die   Gefangene an Orten wie Guantanamo festhalten.

Ian hatte eine äußerst schwierige Rolle in diesem Film. Einen Psychopathen zu spielen ist nicht einfach. Und er war außergewöhnlich gut darin. Es sind seine Stimme, die Art wie er sie am Ende der Sätze hebt, aber auch seine Gesten und Haltung. Militärs bestätigen, dass er dies absolut perfekt herüberbrachte. Aber unter dem Strich zeigte jedoch der Film schließlich  das Verhalten von britischen Vorgesetzten in einem Militärgefängnis. Wir, und mit wir meine ich uns Briten, sind doch angeblich so viel zivilisierter als dies? Der Film zeigt schonungslos Inkompetenz und Barbarei, nicht unter Wilden, sondern in den höheren Rängen der britischen Streitkräfte. Daher ist der Film sehr provokant.

Ich glaube, dass der Film, abgesehen davon, dass er ein Anti-Kriegsfilm ist, aussagt, dass nicht jeder Befehl zwangsläufig befolgt werden muss. (Connerys Charakter hatte den Befehl verweigert, der ihn auf eine Selbstmordmission geschickt hätte.) Der Film sagt auch aus, das nicht jedermann geeignet ist, in den Krieg zu ziehen.(Ich denke dabei an die Figur von Stephens, der von Alfred Lynch verkörpert wurde). Es ist wirklich schwere Kost.

Die schonungslose Geradlinigkeit des Films könnte die Academy abgeschreckt haben - keine Musik, keine Frauen, nur fortwährende Brutalität. Deshalb war der Film wohl nicht jedermanns Geschmack. Ich denke, dass diejenigen unter uns, die wie ich selbst ein natürliches Misstrauen gegen Kommandostrukturen besitzen, sicherlich die Botschaft des Films verinnerlichen können. Man hätte annehmen sollen, dass die Academy, die sich gerne „liberal“ gibt, diesem Film mehr Anerkennung geschenkt haben sollte. Mir ist unverständlich, warum dies nicht geschah.

Ebenfalls kann ich nicht nachvollziehen, warum Ian nicht einmal nominiert wurde. Michael Jayston (nicht im Film) ist es ebenfalls nicht gelungen. Vielleicht ließ Ian seine Leistung nur allzu leicht ausschauen. Aber seine Darstellung war so wahrheitsgetreu. So wie ich es sehe, war es folgendermaßen - man ertappte ihn nie beim Schauspielern! Ja, er hätte einen Oskar gewinnen sollen!
Chris:
Sie haben in Ihrem Buch erwähnt,  Don Leaver habe sich dahingehend geäußert, dass Hendry dazu neigte, viele Male Ergänzungen an Skripten von The Avengers Episoden vorzunehmen und oft seine Meinung deutlich zu solchen Entwürfen äußerte, die er als nicht adäquat empfand. Hat es Hendry jemals selbst in Erwägung gezogen, eine Karriere als Drehbuchautor, Produzent oder Regisseur zu beginnen?


Gabriel:
Ian hat häufig davon gesprochen seine Karriere in Richtung Drehbuchautor, Produzent oder Regisseur erweitern zu wollen.

In der Tat hat Ian häufig Skripten redigiert, meistens dadurch, dass er den Wortlaut hier und dort veränderte wie sich die Co-Stars von Ian erinnern. Oft hat er versucht, an Skripten der ersten Serie von „The Avengers“ Veränderungen vorzunehmen. Patrick Macnee erwähnt, dass Ian viel zu den frühen Skripten der Avengers beigetragen hat. Auch am Set von „The Lotus Eaters“ hat Ian durch Ideen zu Skripten oder deren dramatischer Entfaltung beigetragen. Ein Photo im Buch zeigt ihn mit Michael Bird (vielen Dank an Dave Rich) an der Schreibmaschine und belegt, dass das Erstellen der Drehbücher ein Prozess war, bei dem man zusammenarbeitete.

Und denken Sie daran, dass Ian zusammen mit Bob Ponton zahlreiche bemerkenswerte Songs geschrieben und produziert hat. Bing Crosby plante kurz vor seinem Tod einen dieser Songs zu singen. Ian hat auch viele Gedichte geschrieben und es gibt Hinweise darauf, dass er begonnen hatte, Material für eine Autobiographie, die er schreiben wollte, zu sammeln. Seine Witwe Sandy gab nach seinem Tod ein Interview, in dem sie mitteilte, sie habe einiges von dem Material gelesen und es sei sehr „amüsant“ gewesen. Ich habe Ians zweiteilige „Sunday People“ Erinnerung gelesen, die er zusammen mit Sandy im Sommer 1980 verfasst hat. Diese beinhaltet einige Elemente, die ich in meinen Buch eingearbeitet habe. In „Sunday People“, einem Zeitungsartikel von 1980, sprach er davon, er habe andere Leute produzieren wollen, aber es gibt keine handfesten Hinweise darauf, dass Ian in irgendeiner Form an Produktionen beteiligt gewesen ist. Er hat nie in professioneller Weise Regie geführt - jedenfalls so viel mir bekannt ist - obwohl er, wie ich in der Biographie erwähnt habe, für Dennis Vance einsprang, als dieser am ersten Drehtag von „For Maddie with Love“ zu spät kam.

Ian besaß wahrscheinlich die Begabung alle möglichen Dinge tun zu können. Er war ein sehr vielseitiger und talentierter Mensch.

Chris:
Eines der Kapitel in Ihrem Buch lautet „Apha Male“, was nahelegt, dass Ian Hendry es vorzog, den Ton anzugeben und weniger gern in der zweiten Reihe stand. Führte diese Eigenschaft dazu, dass Ian Hendry eigensinnig war und falls ja, verursachte dies Probleme mit Co-Stars und Regisseuren?

Gabriel:
Ich bin überzeigt, dass Ian von Natur aus eine sehr charismatische Persönlichkeit war. Diese ist eine der Eigenschaften, die von allen Interviewpartnern erwähnt wurde. Es ist seltsam, aber es schien immer ein Knistern in der Luft zu liegen, wenn Ian erschien. Vermutlich war er ein geborener Anführer. Aber die meisten seiner Kollegen sahen das wohl auch an sich nicht als Problem an. Ian hatte klare Vorstellungen von den Rollen, die er angenommen hatte, aber es sieht so aus, als ob seine Kritik überwiegend konstruktiv und nicht etwa destruktiv gewesen ist.
Fast jeder, den ich ich interviewt habe, bestätigte, gerne mit ihn zusammengearbeitet zu haben. Die einzige Ausnahme war Honor Blackman, die mit ihm in einer Theaterproduktion namens „Motive“ 1976 auftrat. Sie erinnerte sich, dass Ian seine Darstellung aus den Proben so stark beim ersten Auftritt verändert hatte, das dies fast den Auftritt von ihr und George Cole, der Ian's Co-Star war, kippte. Sie äußerte, dass man „mit George immer wusste, woran man war.“ Ich war fasziniert von dieser Äußerung. Sie hatte es als Kompliment für George Cole formuliert. Vielleicht war es ja auch „angenehmer“ für andere Schauspieler, aber es schien mir auch so, als ob man dies ebenso als unbeabsichtigtes Kompliment für Ian Hendry als Schauspieler werten konnte. Er liebte es, Leute zu überraschen und war argwöhnisch allem gegenüber, was auf eine Routine hinauslief. Aber das ist natürlich nur meine Sichtweise der Dinge!

Es gab am Set von „For Maddie with Love“ 1980 eindeutig einige Auseinandersetzungen. Aber ich glaube, dass Ermüdungserscheinungen und erhitzte Gemüter ihren Teil dazu beitrugen. Ich glaube, dass Ian nicht grundsätzlich als Schauspieler schwierig war. Aber es ist leicht nachvollziehbar, dass seine Trinkerei die Regisseure Nerven gekostet hat. Simon Langton, der sein Regisseur in „Contract“, eine  Episode der 1974 für die BBC gedrehten Serie „Dial M for Murder“, bemerkte deutlich Veränderungen in Ians Schauspielverhalten, wenn er getrunken hatte. Auch Roman Polanski hat dies flüchtig in seiner Autobiographie erwähnt, in der er ausführt, dass sich Ians Gesichtsausdruck veränderte, wenn dieser  trank.
Trotzdem war er ein großartiger Schauspieler!

Chris:
Sidney Lumets „The Hill“ wurde von den Kritikern begeistert gefeiert und gewann beachtenswerte Preise, wurde aber bei den Academy Awards einfach übersehen, wo man 1965 offenbar mehr von leichter Kost wie „My Fair Lady“ als bestem Film und Peter Ustinov als bestem Nebendarsteller in „ToKapi“ beeindruckt gewesen ist. Glauben Sie, der Umstand, dass es sich um einen Anti-Kriegsfilm handelte, Ian Hendry in einer Zeit in der die USA in den Vietnamkrieg verstrickt waren, den verdienten Oscar gekostet hat?

Gabriel:
„The Hill“ ist einer der bewegendsten, aber auch anstrengendsten Filme, die ich jemals gesehen habe. Offen gesagt habe ich es einige Male vermieden ihn mir anzuschauen, wenn ich in niedergeschlagener Stimmung war, weil ich fürchtete, dass ich mich danach noch schlechter fühlen würde! Der Grund dafür ist, dass der Film Bänd spricht, zu welcher Unmenschlichkeit Personen gegenüber Mitmenschen in der Lage sind und das sich die Brutalsten immer die Schwächsten als die verwundbarsten Opfer aussuchen. Der Film ist eine abschreckende Anklage gegen institutionalisierten Sadismus, brillant gespielt von allen Beteiligten und natürlich -traurigerweise- heute wieder aktuell, wenn man an Vorgänge im Islamischen Staat denkt. Oder auch an das Verhalten von denen, die   Gefangene an Orten wie Guantanamo festhalten.

Ian hatte eine äußerst schwierige Rolle in diesem Film. Einen Psychopathen zu spielen ist nicht einfach. Und er war außergewöhnlich gut darin. Es sind seine Stimme, die Art wie er sie am Ende der Sätze hebt, aber auch seine Gesten und Haltung. Militärs bestätigen, dass er dies absolut perfekt herüberbrachte. Aber unter dem Strich zeigte jedoch der Film schließlich  das Verhalten von britischen Vorgesetzten in einem Militärgefängnis. Wir, und mit wir meine ich uns Briten, sind doch angeblich so viel zivilisierter als dies? Der Film zeigt schonungslos Inkompetenz und Barbarei, nicht unter Wilden, sondern in den höheren Rängen der britischen Streitkräfte. Daher ist der Film sehr provokant.

Ich glaube, dass der Film, abgesehen davon, dass er ein Anti-Kriegsfilm ist, aussagt, dass nicht jeder Befehl zwangsläufig befolgt werden muss. (Connerys Charakter hatte den Befehl verweigert, der ihn auf eine Selbstmordmission geschickt hätte.) Der Film sagt auch aus, das nicht jedermann geeignet ist, in den Krieg zu ziehen.(Ich denke dabei an die Figur von Stephens, der von Alfred Lynch verkörpert wurde). Es ist wirklich schwere Kost.

Die schonungslose Geradlinigkeit des Films könnte die Academy abgeschreckt haben - keine Musik, keine Frauen, nur fortwährende Brutalität. Deshalb war der Film wohl nicht jedermanns Geschmack. Ich denke, dass diejenigen unter uns, die wie ich selbst ein natürliches Misstrauen gegen Kommandostrukturen besitzen, sicherlich die Botschaft des Films verinnerlichen können. Man hätte annehmen sollen, dass die Academy, die sich gerne „liberal“ gibt, diesem Film mehr Anerkennung geschenkt haben sollte. Mir ist unverständlich, warum dies nicht geschah.

Ebenfalls kann ich nicht nachvollziehen, warum Ian nicht einmal nominiert wurde. Michael Jayston (nicht im Film) ist es ebenfalls nicht gelungen. Vielleicht ließ Ian seine Leistung nur allzu leicht ausschauen. Aber seine Darstellung war so wahrheitsgetreu. So wie ich es sehe, war es folgendermaßen - man ertappte ihn nie beim Schauspielern! Ja, er hätte einen Oskar gewinnen sollen!
Alan:
Halten Sie es für wahrscheinlich, dass Ians Karriere und Leben anders verlaufen wäre, hätte er einen Oscar für seine Leistung in „The Hill“ erhalten?

Gabriel:
Das ist absolut sicher. Jeder Schauspieler, der darüber etwas anderes sagt, ist ein Lügner. Selbst nur eine Oscarnominierung hätte einen Unterschied gemacht.
So wie ich es sehe, hätte „The Hill“ Ian viele hochwertige Filmrollen einbringen müssen. Er hätte sich das Beste herauspicken können. Die Realität sah anders aus, denn weil Ian nicht die Anerkennung für den Film bekam, die ihm gebührte, kam es dazu, dass er auf Nebenrollen und TV Serien wie „The Informer“ festgelegt wurde.
Seine Leistung in „The Hill“ hätte ihm den Durchbruch als Filmrolle verschaffen müssen, sein Meilenstein auf dem Weg zu internationalem Ruhm werden müssen. Dies geschah jedoch nie, obwohl es durchaus Momente gab, in denen es so aussah, als ob er auf dem Sprungbrett zu einer internationalen Karriere stehen würde, so,  als er an der Seite von Orson Welles in „The Southern Star“ von 1968 auftrat. „Doppelganger“ ist ein weiterer bemerkenswerter Film desselben Jahres, aber hier war seine Rolle nicht gehaltvoll genug.

Ian hätten bessere Angebote zwischen 1965 und 1968 gemacht werden müssen.
Author Gabriel Hershman with
Ian Hendry's cap from the film
"The Hill"
Alan:
Sie werfen im Buch die Frage auf, ob Ian vielleicht zu früh „The Avengers“ verlassen hat. Hat er dies jemals zugegeben und welche Einschätzung haben Sie  davon, welche Bedeutung der Umstand hatte, dass er „The Avengers“ nach nur einem Jahr verließ?

Gabriel:
Ian hat offenbar gegenüber Bruce Montague zugegeben, dass er es bedauert hat, die Serie „The Avengers“ so frühzeitig verlassen zu haben. Ian war jemand, der es vermied, eine Rolle zu lange zu spielen. Er war der Ansicht, eine Rolle zu lange auszufüllen, sei schlecht für die Weiterentwicklung eines Schauspielers. Allerdings kann der Umstand, dass die Serie langlebig ist und sogar nach Übersee verkauft wird, dem Bankkonto sehr sehr gut tun. Und auch das Publikum identifiziert einen so sehr mit einer Rolle, dass man für sie zu einer Institution wird.

Denken Sie einmal an Patrick Macnee - und einmal ganz erhrlich- welche wichtigen Rollen ausgenommen die Avengers kann man auflisten? Es dürfte Ihnen schwerfallen, welche zu nennen.

Was Ian hingegen angeht, da fallen einem sofort verschiedenen Rollen ein, wie „Live now pay later“, „The Hill“, „Get Carter“ und „Theater of Blood.
Aber das Gute daran, lange mit einer Rolle verbunden zu bleiben, ist, dass das britische Publikum glaubt, man sei ein nicht wegzudenkender Bestandteil des Ganzen. Deshalb sind auch Schauspieler wie Sid James, Arthur Lowe, Leonard Rossiter, Kenneth Williams oder John Le Mesurier in gewisser Weise populärer als Ian Hendry, auch wenn sie keine mit Ian vergleichbare Filmkarriere hatten und dazu neigten, an ein bestimmtes Genre gebunden zu sein.

Ich glaube, Ian besaß einen ruhelosen Charakter. Er war überzeugt, man müsse in Bewegung bleiben. Aber vielleicht, und ich glaube er hätte dem zugestimmt, wäre er besser noch ein oder zwei Jahre bei den Avengers geblieben.

Denis :
Wenn er in späteren Jahren zitiert wurde, war Patrick Macnee immer zwiegespalten bei der Frage, welcher sein Lieblingspartner bei der Serie gewesen sei, so als ob er nicht die Leistung irgendeiner seiner weiblichen Kolleginnen schmälern mochte. Es verblüffte viele, als Patrick Macnee Ian Hendry als seinen liebsten Partner bezeichnete. Ich nehme an, sie waren wie zwei Pole, die sich anzogen. Wie sehen Sie Patricks und Ians Freundschaft und warum war sie etwas Besonderes?

Gabriel:

Es ist interessant, dass Ian und Patrick so gut miteinander auskamen. Ihre Persönlichkeiten in der Serie war ziemlich unterschiedlich. Patrick verkörperte den glatten, anspruchsvollen, zuvorkommenden, geschmeidigen, eleganten und dandyhaften Upper-Class Reräsentanten, Ian, hingegen, obwohl er eine vergleichbare Ausbildung genossen hatte, war mehr der robuste Charakter, der Mann von der Straße, ein ungeschliffener Diamant. Aber die beiden Männer harmonierten hervorragend auf dem Bildschirm.
Abseits der Kamera gab es eine Menge Rippenstöße und Unkereien, aber sie mochten einander eindeutig. Patrick und Ian liebten beide nämlich Scotch. Offenbar half dies immens ihre Freundschaft zu zementieren. Und ich glaube, dass Patrick Ians Beiträge zu den Skripten respektierte und seinen kreativen Beiträge honorierte.

Ich wünschte, ich wäre in der Lage gewesen, Patrick für das Buch zu interviewen, entschied mich aber wegen seines fortgeschrittenen Alters dagegen an ihn heranzutreten.
Ich glaube, dass Patrick zwar nicht exakt wütend, aber leicht irritiert war, weil Ians Verdienste in Beiträgen über die Avengers oft übersehen wurden. Deshalb legte er großen Wert darauf, Ian Beitrag, wann immer nur möglich, zu würdigen. Es passt in die Reihe, dass Ian's letzter öffentlicher Auftritt bei Patrick Macnees „That's Your Life“ stattfand, aber Ians Auftritt hinterließ eben im Vergleich zu den anderen Co-Stars nur einen flüchtigen Eindruck. Dies belegt aber erneut, wie Ians Bedeutung unterschätzt wurde. Ich kann nur hoffen, dass dies nun korrigiert worden ist.
Denis:
„The Avengers“ Fans mögen überrascht sein, wenn sie Ihren Kommentar über die „The Avengers“ Episode „Girl on the Trapeze“ hören. Während viele Stimmen diese Folge als eine der besten der Videotape-Ära der Serie betrachten, vertreten Sie die Ansicht, dass Ian ohne Patrick Macnee in dieser Folge fast verloren aussieht und das Ergebnis davon nicht sehr gelungen war. Kann man aus Ihrer Sichtweise schlussfolgern, dass „The Avengers“ ein ähnliches Schicksal genommen hätten wie Police Surgeon, wenn Patrick Macnee vorzeitig die Show verlassen hätte?

Gabriel:
Ich bin der Ansicht, dass die Chemie zwischen Ian und Patrick in „The Frighters“ so gut ist, dass es seltsam anmutet, Ian in „Girl on the Trapeze“ auf sich allein gestellt zu sehen. Dennoch hatte Ian Starqualitäten, die es ermöglicht hätten, die Avengers auch notfalls alleine fortzusetzen. Ich denke, dass ich - wie viele andere auch - „The Avengers“ mit Patrick Macnee so sehr verbinden, dass eine Folge der Serie, in der er nicht auftaucht, ... befremdlich wirkt...aber vielleicht liegt das auch nur daran, weil man weiß, wie sich alles rückblickend entwickelt hat.

Ich bin mir sicher, die „The Avengers“ wären auch erfolgreich geblieben, wenn nur Ian allein aufgetreten wäre. Aber Tatsache ist, dass Ian und Patrick, sich in einer so unvergleichlichen Weise genial ergänzt haben, dass einer kaum vom anderen wegzudenken war.


Chris:
In modernen TV Serien finden sich oft Partnerschaften, bei denen sich die Figuren stark voneinander in den Charakteren unterscheiden, dennoch gerade wegen dieser Verschiedenartigkeit äußerst erfolgreich zusammenarbeiten. Das Konzept einer Partnerschaft in der ersten Staffel der Avengers zwischen einem professionellen Agenten (John Steed)  und einem Amateur (Dr. Keel) wurde auch von der zweiten bis zur fünften Staffel der Serie fortgesetzt, was insgesamt etwas sehr Neuartiges war. Diese Beziehung erinnert mich immer ein bisschen an John Watson und Sherlock Holmes, die zwar sehr unterschiedliche Partner waren hinsichtlich ihres Verstandes und der Methoden, aber nichtsdestotrotz erfolgreich und enge Freunde waren.
Glauben Sie, dass diese Kombination der Schlüssel für den Erfolg der Avengers gewesen ist?

Gabriel:
Zunächst einmal muss man festhalten, dass in jeder TV Serie, in der eine Partnerschaft vorkommt, die Chemie zwischen den Schauspielern wesentlich ist und zwar vor und hinter der Kamera. Bleiben wir bei britischen Sendungen - John Thaw und Dennis Waterman hatten ein gutes Verhältnis in „The Sweeney“, ebenso Don Henderson und Leslie Grantham in „The Paradise Club“. Diese verkörperten harte Typen von der Straße. Manchmal beinhaltet die Beziehung eine Art Mentoren-Dasein, wie in „Die Straßen von San Francisco“ zwischen Karl Malden und Michael Douglas à la „älterer Cop nimmt jüngeren Grünschnabel unter seine Fittiche“. Manchmal ist dieses Verhältnis schlichtweg perfekt. Ich denke da an „Starsky und Hutch“ - David Soul und Paul Michael Glaser, bei ihnen stimmte die Chemie von Anfang an. Bei all diesen von mir genannten Beispielen stimmte die Beziehung auch abseits der Kameras. Manchmal hingegen agieren die Schauspieler gut vor der Kamera, haben aber ansonsten wenig gemeinsam. Ein klassisches Beispiel dafür ist die britische Slapstick Serie „Steptoe and Son“. Harry H. Corbett und Wilfred Brambell unternahmen offenbar nie etwas zusammen. Ich habe immer die Beziehung zwischen Basil Rathbone (prägnante, kriminaltechnisch versiert, objektiv, von messerscharfen Verstand) und Nigel Bruce (schusselig, etwas schwer von Begriff, abschweifend, diffus) in den Original Sherlock Holmes Filmen sehr gemocht. Und in den Avengers, ja, da gab es einen  deutlichen Unterschied in der Vorgehensweise der Figuren.
Ian Hendry diente als das Gewissen des Teams, während Macnee mehr den ausgefeilten Profi verkörperte, der dafür sorgte, dass der „Job erledigt“ wurde. Sie haben auf jeden Fall gut harmoniert und ich würde mir wünschen, wir hätten mehr davon in anderen Episoden sehen können.

Denis:
Gab es spezielle Gesichtspunkte an Ians Karriere oder seinem Privatleben, die Ihnen bei den Recherchen besonderes Vergnügen bereitet haben. Und auch umgekehrt - was fanden Sie enttäuschend  und konnten Sie nicht mit in das Buch aufnehmen?

Gabriel:
Ich habe es besonders genossen, mir noch einmal einige von Ians Arbeiten im Internet anzusehen. Früher, als ich anfing, Produktionen mit Ian anzuschauen, musste ich noch sperrige Videokassetten in Rekorder stecken. Oder man musste abwarten, bis eine Sendung mit Ian auf Kanälen wie UK Gold ausgestrahlt wurde. Heutzutage ist alles viel einfacher und schneller. Und es ist die Gesamtheit von Ians Werk, die mir mehr als alles andere Freude bereitet hat.

Ich wusste zu Beginn nicht viel über Ians frühes Leben und war deshalb so dankbar, dass Tony Read mir den Zugang zu Informationen über Ians Wirken an der Schauspielschule ermöglichte.

Es war irgendwie sogar keine Überraschung -  der Umstand, dass Ian ein führender Kopf der Gruppe gewesen war, ein Vorkämpfer für Neues und sprudelnd vor Ideen. Dies deckte sich vollkommen mit den Vorstellungen, die ich von ihm gehabt hatte.

Ich war sehr darüber enttäuscht, weder Mitarbeit von seiner Witwe noch von seinem Agenten zu bekommen. Diese hätten die Biographie abgerundet können. Ich war sogar ein wenig bestürzt darüber, dass die letzten drei bis vier Jahre seines Lebens so unerfüllt gewesen sein mussten. Es gibt einige sehr heikle Details - so wie in jedermanns Leben - die von mir Diskretion verlangten. Dies ist etwas Typisches für Biographien.
Denis:
Ich erinnere mich, dass ein Zeitlang Fehlinformationen kursierten, Ian habe 1959 in einer Produktion des Kultregisseurs Yuri Gadyukin namens „The October Wedding“ mitgewirkt. Viele Leute haben dies auch geglaubt, und obwohl man den Leuten einfach nur einen Bären aufgebunden hatte, kursierten selbst auf renommierten Seiten Informationen darüber. Wie haben Sie auf diese Information reagiert? Haben Sie es zunächst als bare Münze genommen oder hatten Sie Zweifel daran?

Gabriel:
Ich hatte von „The October Wedding“ gelesen und zunächst auch angenommen, dass etwas daran sein müsste, denn es gab keinen Grund, dies nicht zu tun. Der Film war auf IMDb und Wikipedia usw., erwähnt. Aber ich begann misstrauisch zu werden, als meine Kontakte keinerlei Informationen über den Film finden konnten. So beispielsweise ein großartiger Mensch, Richard Buckman, der für die British Newspaper Library arbeitet und mir sehr hilfreich dabei war, Presseausschnitte zu jedem Film, in dem Ian mitgespielt hatte, zuzuschicken. Aber es fand sich nichts über „The October Wedding“! Dennoch hatten die Leute, die hinter diesem Schwindel standen, eine Website erstellt, die zu Ehren dieses angeblich so großartigen Filmemachers eingerichtet worden war, der überhaupt nicht existierte! Anders gesagt, sie hatte das Ganze sehr clever gemacht.
Ich war bereits mit der Überarbeitung meines Buches arg beschäftigt, als Neil Hendry mich informierte, Alan Hayes habe ihn gewarnt, dass dieser angeblich so großartige Art-House Film überhaupt nicht existiere. Ich war sehr dankbar für diese Information. Ich löschte daraufhin im Buch alle Informationen über den Film aus Ian's Werksverzeichnis. Das war ziemlich nervig.

Denis/Alan:
Einige der Filmauftritte von Ian sind nicht eindeutig zu klären, so z.B. beim Streifen „The Big Money“, bei dem Ian anscheinend gar nicht auftaucht. Haben diese kleinen „Mysterien“ Ihnen beim Erstellen der Filmographie Ians Probleme bereitet?

Gabriel:
Dazu kann ich sagen, dass Ian selbst sich häufig nicht mehr daran erinnert hat, in welchen Produktionen er mit kleineren Rollen mitgewirkt hat. Der Filmhistoriker David Quinlan bat Ian die Vollständigkeit seiner Filmographie zu überprüfen, als Quinlan 1981 eine Illustriertes Verzeichnis von Film Stars erstellte. Ian teilte Quinlan mit, dass er sich zwar erinnere, einige kleinere Rollen gespielt zu haben, er sich aber nicht die „Namen der Filme erinnere.“

Denis:
Welche Filme von Ian haben Sie nicht gesehen, würden Sie aber gerne finden und anschauen?

Gabriel:
Der einzige Film von Ian, der offenbar wirklich verloren gegangen ist, scheint „Assassin“ zu sein. Ian erhielt eine ordentliche Rolle in dem Film und lieferte offenbar auch eine gute Leistung ab. Es ist sehr schade! Das ist ein Film, den ich  wirklich gerne sehen würde. Ich liebe einfach alle Filme aus dieser Periode - wie „Sitting Target“ mit Oliver Reed  und „Villian“ mit Richard Burton. Aber von Ian's Arbeiten würde ich wirklich gerne „Assassin“ sehen.
Es gibt noch einige Filme, die man sehr selten finden kann, wie „The Jerusalem File“. Ian hatte darin eine kleine Rolle, die aber für die Geschichte sehr wesentlich war. Es wurde in Israel gefilmt. Ich habe dem Film gesehen und finde, er ist sehr gut darin.


Denis/Alan:
„Send in the Clowns - The Yo Yo Life of Ian Hendry“ ist Ihr erstes Buch. Fanden Sie den Schreibprozess schwieriger oder leichter als erwartet? Welche Erfahrungen haben Sie beim Schreiben und beim Führen der Interviews gemacht?

Gabriel:
Ich habe mich an einer Erzählung ausprobiert, ich noch um einiges jünger war, fand aber letztlich heraus, dass meine Stärken im Journalismus und beim Schreiben von Biographien liegen.
Ich hatte viele Vorkenntnisse über Ians Karriere, bevor ich anfing, war also vorbereitet, als ich begann über seine Karriere in Film und Fernsehen zu schreiben. Während des Schreibens musste ich aber erkennen, wie wichtig es war, die zeitlichen Abläufe zu beachten. Ich wollte, dass die Biographie, selbst, wenn es darin nur in ganz kurzer Form möglich sein sollte, nahezu alle seiner Projekte erwähnen sollte. Ich glaubte, das sei wesentlich, weil ich es immer gehasst habe, Biographien über Stars zu lesen, nur um  dann festzustellen, dass mein Lieblingsfilm dort kaum erwähnt wurde.

Ich habe also versucht Personen zu finden, die an den wichtigsten Arbeiten von Ian beteiligt gewesen waren und die auch bereit waren, mit mir zu sprechen.

Der eigentliche Prozess des Schreibens war dann sehr angenehm. Wann immer ich Leute interviewte, wollte ich mehr über Ians Arbeitsmethoden erfahren und über ihre Sicht von seinen Begabungen oder Beiträgen. Ich fand mich oft damit konfrontiert, dass ich die Unterhaltung von ihren privaten Erzählungen von seinen Problemen wegführen musste.

Das anderes, rein pragmatisches Problem, bestand darin, noch Leute zu finden, die vor 50 Jahren mit Ian zu Beginn seiner Karriere zusammengearbeitet hatten. Deshalb glaube ich, ist mir die Arbeit über Ians Schaffen aus den 60er und 70er Jahren besser gelungen.

Ich glaube, ein Biograph muss einen schwierigen Weg einschlagen. Ich bin ein leidenschaftlicher Fan von Ian als Schauspieler, aber ich konnte es mir nicht erlauben, aufgrund meiner Bewunderung die Tatsache auszublenden, dass seine Trinksucht Probleme für seine Mitmenschen hervorgerufen hat und sie sein schlimmster Feind gewesen ist.
Dennoch bin ich am Ende überzeugt, dass fast jeder mit dem ich gesprochen habe, von seinem enormen Talent überzeugt gewesen ist.

Denis:
Die Auswahl des Titel für ein biographisches Buch ist sehr wesentlich, da der Leser bereits  Vermutungen über die Absichten und den Blickwinkel des Autors anstellen kann.Warum haben Sie sich für den gewählten Titel entschieden und hatte Sie Alternativen in Erwägung gezogen?

Gabriel:
Ian verehrte Clowns und den Zirkus wie Sie wissen. Wenn man sich „That is Your Life“ ansieht, fällt auf, das ihm Tränen in den Augen traten, als Cocos Name erwähnt wurde. Ian liebte auch Stephen Sondheims Klassiker „Send in the Clowns“. Das Lied wurde sogar auf seiner Beerdigung gespielt. Ich dachte deshalb, es würde sich anbieten, etwas, das auf Clowns bezogen war, in den Titel zu integrieren. Außerdem hatte ich mir überlegt, dass der Clown schlechthin eine Metapher für Ians eigenes Leben war, in dem Sinne, dass Ian handfesten Humor liebte - wegen seiner Art Leute unterhalten zu wollen - dies aber verwoben war mit einer Neigung in seinem Leben zur Tragik und zum Unglück. Den Zusatz mit den Jo-Jo stellte ich deshalb her, weil der vorläufige Titel von Ians Autobiographie „Life is a Yo Yo“ geheißen hatte.

Ursprünglich hatte ich den eher kontroversen Titel „Pissholes in the Snow“ erwogen und zwar deswegen, weil dieser Satz von Michael Caine in „Get Carter“ (wo er Ian auf der Pferderennbahn angeht) so legendär und weitläufig bekannt ist. Ich glaube, dass dieser Titel eine stärkerer Blickfang gewesen wäre und auch ungewöhnlich, entschied mich aber letztendlich dagegen, weil er auch respektlos gewirkt haben könnte.

Denis:
Ausgehend davon, dass Sie ja offensichtlich mit den Titel „Pissholes in the Snow“ gespielt haben, stellt sich die Frage, ob Sie auch noch andere Ideen für das Buch hatten, die aber letztlich verworfen wurden?

Gabriel:
Bevor ich mit der Arbeit an meinem Projekt begann, hatte ich angenommen, dass es im Allgemeinen schwierig gewesen war, mit Ian zu arbeiten. Tatsächlich gab es jedoch nur wenige Hinweise darauf. Fast jeder, den ich interviewt habe, mochte Ian und fand, er sei am Set sehr professionell aufgetreten und es habe Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten. Er mochte getrunken haben, dennoch war er im Allgemeinen immer professionell bei der Arbeit aufgetreten. Das war also eine der Erwartungen gewesen, die ich glaubte herausfinden zu müssen, aber es stellte sich heraus, das es unnötig war, näher darauf einzugehen.

Ich glaube ein Problem, das Ian hatte, war offenbar ein Zusammenstoß mit Michael Caine bei „Get Carter“, und es war einer der Vorfälle, die immer wieder endlos im Internet durchgekaut wurden, so, als ob dieses Ereignis typisch für seine gesamte Karriere gewesen sei. Tatsächlich tritft dies aber nicht zu.

Um ehrlich zu sein, hatte ich ursprünglich geplant, überhaupt nicht auf Ians Alkoholproblem einzugehen. Aber Ians Abstieg in den den Alkoholismus oder zumindest eine Stufe davon, machte es zu einem wesentlichen Teil der Biographie. Ich bedauere, dass dies unumgänglich war, weil auch so viele Erinnerungen an Ian mit Anekdoten über seine Trinkerei gespickt waren.


Denis:
Ihr Buch ist mit einer Reihe interessanter und seltener Photographien illustriert, einige davon waren noch nie in der Öffentlichkeit zu sehen. Wie gelangten Sie in deren Besitz?

Gabriel:
Ich wünschte, ich hätte noch mehr verwenden können! Einige stammen aus dem Besitz der Culford Schule, Ians Schule in Bury St.Edmund. Andere sind aus dem Besitz der Privatsammlung von Neil Hendry oder der Sammlung von Liam Byrne, der eine Webseite über Janet Munro betreibt. Andere habe ich bei Rex Features gekauft, aber diese Photoagenturen neigen dazu sehr kostspielig zu werden.

Ich bedauere, dass ich nicht in der Lage gewesen bin, Bilder von Ian nach 1980 zu integrieren. Diese waren schwer zu finden. Einige der Photos sind nicht in einer Qualität vorhanden, die ich mir gewünscht hatte. Allerdings scheint dies bei jeder Kopie des Buches etwas anders zu sein.

Ich war besonders interessiert an Material über Ians frühe Zeit und bin deshalb froh Photos von ihm im Kreise mit seiner Familie zeigen zu können. Ians Hintergrund interessierte mich sehr und auf eine drollige Weise empfinde ich, dass ich sie durch die Photographien kennengelernt habe.

Denis:
Ich nehme an, dass Sie an verschiedenen Orten gewesen sind, die mit Ian Hendrys Leben und Karriere in Verbindung stehen. Beispielsweise sind Sie auf Pharao Island gewesen. Was war Ihr persönlicher Eindruck von diesen Plätzen?

Gabriel:
Ich lebte früher in der Nähe von Ian Hendry und kenne die Pubs, wo er sich häufig aufhielt. Ich würde das Old Bull and Bush in Hampstead empfehlen. Es ist vor kurzem umgebaut worden und ähnelt jetzt mehr einer Brasserie. Sogar der Thekenbereich hat Sofas und gedämpftes Licht. Aber vor 30-40 Jahren war es eine traditionelle Trinker- und Raucherkneipe, wo man einige wohlbekannte Gesichter auf den Barstühlen aufgepflanzt hätte sehen können - nicht nur Ian, sondern auch Ronnie Fraser und eine paar andere Stammkunden.

Auf Pharao Island bin ich zweimal gewesen. Es fühlte sich sehr seltsam an, dort zu sein. Das erste Mal war 1988, mitten im Winter. Die Flut war hoch und als ich in Richtung der Sphinx blickte, überlief mich ein Schaudern, eine Gespür für die Isolation, die Janet dort empfunden haben muss. Das zweite Mal war viele Jahre später im Sommer.

Ian altes Haus muss heute eine ganze Menge Geld wert sein. Aber natürlich hat sich eine Sache nicht geändert. Man benötigt immer noch ein Boot um von der Insel zum Festland zu gelangen und das kann manchmal äußerst gefährlich sein.

Denis:
Sie hatten einige Radioauftritte um Ihr Buch zu promoten. Fanden Sie die Radiointerviews erfreulich und haben Sie zu irgendetwas Interessantem geführt?

Gabriel:
Ich glaube, die meisten Fragen, die gestellt wurden, waren nicht sonderlich originell oder zumindest war keine dabei, die jetzt besonders herausragend gewesen wäre. Aber eine Sache möchte ich erzählen.

Ich habe in Erfahrung gebracht, dass Ian immer sehr freundlich zu einfachen Leuten gewesen ist. Als ich ein Radiointerview mit Robert Elms führte, schrieb jemand während der Sendung eine E-Mail um ihm zu sagen, dass er länger als Kurier gearbeitet hatte. Offensichtlich brachte er ein Skript zu Ians Haus (das war lange bevor es Fax oder E-Mail gabe). Ian öffnete und nahm das Skript. Der Mann erzählte, dass normalerweise, wenn er ein Skript zu berühmten Leuten ablieferte, diese einfach die Tür aufmachten, das Skript annahmen mit einem Nicken und die Tür wieder schlossen. Nicht so Ian. Er lud den Man ein und bot ihm ein Guiness an und sie unterhielten sich ! Und wieder hatte ich eine Geschichte gehört, dass Ian auffallend freundlich zu einfachen Menschen war. Das ist etwas, was ich auch in den Pubs und seiner alten Wohngegend gehört habe. Beispielsweise traf ich einen Straßenmusikanten, der sich daran erinnerte, dass Ian ihm einmal einfach so ein Mittagessen gekauft hatte. Es gab viele kleine Geschichten wie diese, die ich unter zahlreichen herauspicken könnte.

Denis:
Welche Bücher haben derzeit Ihr Interesse geweckt? Welche anderen Biographien sind Ihrer Meinung nach besonders gelungen?

Gabriel:
Ich mag es in der Tat, Biographien zu lesen. Ich glaube, dass David Shewards Biographie von George SC.Scott sehr gut geschrieben ist, ebenso Dwayne Epsteins Biographie von Lee Marvin. Derzeit lese ich gerade „With Umbrella, Scotch and Cigarettes“, eine ungeheuer detailreiche und umfassende Abhandlung über die erste Staffel der Avengers von Richard McGinlay und Alan Hayes. Ich kann all diese Bücher nur wärmstens empfehlen.

Denis:
Haben Sie mit Verlegern Kontakt aufgenommen, bevor Sie sich entschieden haben, Ihr Buch selbst zu produzieren? Und warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Gabriel:
Ich habe sehr wohl versucht, herkömmlicher Verleger für das Buch zu gewinnen, aber das Verlagswesen steckt derzeit in einer Krise. Die Verleger waren der Ansicht, das Ian Hendry kein so großer Name sei, dass Verkaufszahlern auch garantiert wären. Viele Verleger waren kurz angebunden und äußerten sich abfällig zu dem gesamten Projekt. Einige haben einfach nicht auf die Anfrage geantwortet. Also entschloss ich mich am Ende, es selbst zu produzieren, wie man das so schön nennt, und zwar via Lulu. Das ist in vielerlei Hinsicht nicht ideal, weil man seine Werbung selbst organisieren muss, aber es ist ein guter Weg, wenn man die üblichen Verleger nicht für seine Arbeit interessieren kann.

Ein oder zwei Verleger aus Nischenbereichen, die spezialisiert sind auf das Showbusiness, sagten, dass sie das Buch verlegt haben würden, wenn die Wirtschaftslage besser wäre.

Selbst zu verlegen gibt einem allerdings auch die Chance, genau den Text zu publizieren,, den man veröffentlichen wollte, ohne dass einem dazwischengefunkt wird.

Alan:
Welche Schwierigkeit haben sich dadurch ergeben, dass Sie in Bulgarien leben, aber der Hauptmarkt um ein Buch zu schreiben und zu publizieren in England liegt?

Gabriel:
Als ich am Schreiben war, ergaben sich eigentlich keine besonderen logistischen Probleme. Die meisten der Personen, die bereit gewesen waren, mit mir zu sprechen, antworteten per E-Mail. Und dann gab es Leute, die mit mir am Telephon sprachen. Manchmal haben die entsprechenden Personen überhaupt nicht registriert, dass ich mich in Bulgarien aufhielt. Ich glaube dank der Technologie ist die Welt kleiner geworden. So gesehen ist das Internet sehr hilfreich. Es gab auch Personen, die ich von Angesicht zu Angesicht getroffen habe, wie z.B. Bob Ponton während meiner Reisen nach Großbritannien.

Als ich aber begonnen habe, das Buch zu vermarkten, fand ich es sehr problematisch in Bulgarien zu sein. Die Tatsache, dass ich nicht jederzeit bei Auftritten erscheinen konnte, um das Buch zu promoten, stellt eine gewisse Schwierigkeit dar. Ich glaube, ich hätte das Buch besser vertreiben können, wenn ich im Vereinigten Königreich gelebt hätte. Aber man kann eben nicht alles haben - das Leben hat mich einfach in eine andere Richtung dirigiert.

Denis:
Das Buch ist sehr gut geschrieben, so wie man es von einem Journalisten oder Redakteur auch erwarten würde. Wie wurde dies zu Ihrem Beruf? War dies ein Berufswunsch aus Kindertagen oder haben Sie sich erst später im Leben dazu entschieden?

Gabriel:
Ich bin immer schon am Schreiben interessiert gewesen. Englisch war mein bestes Fach in der Schule. Ich experimentierte damit eine Erzählung zu schreiben, als ich in meinen Zwanzigern war, stellte aber fest, dass ich nicht sonderlich begabt auf diesem Gebiet war.
Zu Journalismus bin ich eher zufällig gelangt, als ich 30 wurde. Inzwischen bin ich seit einigen Jahren in diesem Bereich tätig.

Denis:
Woran arbeiten Sie gerade und wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Gabriel:
Derzeit arbeite ich an einem zweiten Buch mit einem biographischen Thema. Ich hoffe einen Verlag oder Agenten dafür interessieren zu können, aber falls dies nicht gelingt, bietet Lulu einen guten Service an. Zwischenzeitlich setzte ich meine Arbeit als Journalist und Editor fort, meistens auf einer Honorarbasis.





Gabriel, vielen herzlichen Dank für das Interview. Ihre Offenheit und anregenden Antworten haben zahlreiche interessante Dinge über Ian und Ihr Buch offengelegt, wofür wir von Steedumbrella sehr dankbar sind.
Wir wünschen Ihnen alles Gute und Erfolg und sind sicher, dass das neue Buch, an dem Sie arbeiten, auch viele Leser der Webseite interessieren wird.

                                  
                                        Das Vergnügen war ganz meinerseits!

Gabriel Hershman, Autor der Biographie des britschen Schauspielers Ian Hendry
"Send in the Clowns - The Yo Yo Life of Ian Hendry",
im Interview mit

Denis Kirsanov, Alan Hayes und Christine Stutz auf Steedumbrella.
29. November 2014

(Das Originalinterview wurde in englischer Sprache geführt)